Die Stadt Darmstadt bekommt eine neue Stellplatzsatzung. Diese wurde in der Stadtverordnetenversammlung am 18.06.2019 beschlossen.
Warum ist das ein Grund zum Jubeln?
Ein paar Worte vorneweg.
Was ist eine Stellplatzsatzung?
Wann und wo gilt diese?
Muss ich mich daran halten?
Eine Stellplatzsatzung gibt vor, wie viele Stellplätze pro Wohneinheit gebaut werden müssen. Wenn ein neues Gebäude errichtet wird, müssen dafür PKW- und Fahrradstellplätze im Bauantrag durch Ihren Architekten nachgewiesen werden. Nachgewiesen heißt, es muss rechnerisch ermittelt werden, wie viele Stellplätze Sie benötigen. Die Stellplatzsatzungen geben an, welche Werte dafür anzunehmen sind. Zum Beispiel forderte die Stadt Darmstadt bisher 1,2 PKW- Stellplätze pro Wohneinheit für Wohnhäuser, aufgerundet 2 Stellplätze pro Wohneinheit.
In den Bauantragsplänen wird dargestellt, dass Sie als Besitzer der Immobilie die entsprechend geforderte Anzahl an Stellplätzen auf Ihrem Grundstück herstellen. Das bezeichnet man als Stellplatznachweis zum Bauantrag, ohne diesen erhalten Sie keine Baugenehmigung. Das selbe gilt bei Umbauten, wenn die Anzahl der Wohneinheiten und somit der Stellplatzbedarf steigt. Eine Stellplatzsatzung wird von Gemeinden aufgestellt und zählt zum Planungsrecht.
(Planungsrecht, was ist das noch Mal? Hier mehr Kontext:
Die Stellplatzsatzung gilt entweder für eine Gemeinde, oder für Gemeindeteile und regelt den Stellplatzbedarf. Dieser richtet sich nach Nutzung des Gebäudes. Beispiel: ein Geschäft braucht mehr Stellplätze als ein Wohnhaus. Beim Neubau oder Umbau müssen Stellplätze entsprechend der Satzung nachgewiesen werden.
Was ist nun an der neuen Stellplatzsatzung der Stadt Darmstadt so beeindruckend?
Schauen wir uns an welche Folgen die Regelung der Stellplätze für die Bauwelt und die Bürger hat. Die Hürden für das Errichten von Wohngebäuden aber auch für die Nachverdichtung im Bestand können durch Stellplatzsatzungen höher sein. Die Wohnungsnot (nicht nur) in Darmstadt ist bekanntlich groß. Wenn durch die Novellierung der Stellplatzsatzung die Schwellen für die Errichtung von Wohnraum sinken, kann neuer Wohnraum schneller und einfacher entstehen. Das wirkt sich hoffentlich auch auf die Wohnungspreise aus.
Dass die Anzahl der verfügbaren Stellplätze sinkt, kann zu Folge haben, dass es unattraktiver wird ein Auto zu besitzen. Carsharing, ÖPNV und das Rad können dadurch an Bedeutung gewinnen. Bei gleichzeitigem Ausbau der Fahrradwege und des ÖPNV kann eine Gemeinde dadurch Weichen für die Stadtentwicklung stellen und den Autoverkehr entlasten.
Die neue Satzung der Stadt Darmstadt reagiert flexibel auf das Wohnumfeld. Die Notwendigkeit des PKW Stellplatzes wird zukünftig auch davon abhängig gemacht, wie gut das Grundstück an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden ist. Nicht alle Bürger können auf einen PKW verzichten, wenn es zu wenig Alternativangebote gibt. Das berücksichtigt die Satzung, wodurch für die verschiedenen Situationen passende Lösungen möglich sind.
"In Gebieten mit wirksamer Parkraumbewirtschaftung (Gebiete, in denen im öffentlichen Straßenraum das Verhältnis zwischen Parksuchverkehr und Anzahl verfügbarer Stellplätze zielgerichtet gesteuert wird) entfällt die Pflicht zur Herstellung von Garagen oder Stellplätzen. Diese Gebiete sind in Anlage 3, die Bestandteil dieser Satzung ist, gesondert ausgewiesen." Stellplatzsatzung Darmstadt §3 (7)
Die Fahrradnutzung wird durch die neue Stellplatzsatzung gefördert. Gemäß der neuen Satzung werden mehr Fahrradstellplätze nachgewiesen werden müssen als zuvor. (Für ein Einfamilienwohnhaus sind es 2,5 also faktisch 3. Zum Vergleich: der Stellplatzbedarf für Autos sinkt von 2 auf 1).
Eine kleine Belohnung für diejenigen, die über den errechneten Bedarf hinaus Abstellplätze für Fahrräder vorsehen, enthält die Satzung auch: sie dürfen dann bei den PKW- Stellplätzen sparen.
"Bis zu einem Viertel der notwendigen Stellplätze nach Absatz 1 können durch Abstellplätze für Fahrräder ersetzt werden. Dabei sind für einen notwendigen Stellplatz vier zusätzliche nicht notwendige Abstellplätze für Fahrräder herzustellen."
Stellplatzsatzung Darmstadt §3 (3)
Die Flächen, die nicht für Stellplätze verbaut werden sollen jedoch nicht als Baugrund zur Verfügung stehen. Die Stadt befürwortet die Entsiegelung der Freiflächen. Es sollen mehr Grünflächen entstehen. Das heißt mehr Lebensraum für Insekten, Durchbrechen der Hitzeinseln, Erhöhung der CO2 Aufnahme und nicht zuletzt eine höhere Lebensqualität für die Anwohner.
"Die Oberfläche von Tiefgaragen ist, soweit sie nicht selbst als Einstellplatzfläche genehmigt ist, als Grünfläche zu gestalten, gärtnerisch anzulegen und zu unterhalten. Flachdächer ebenerdiger Garagenanlagen mit über 100 m² Nutzfläche sollen begrünt werden." Stellplatzsatzung Darmstadt §4 (4)
Förderung der Elektromobilität findet sich in der Stellplatzsatzung auch wieder. Laut Statistiken zieht das Elektrofahrzeug nur langsam in unseren Alltag ein. Einer der Gründe dafür sind die fehlenden Ladestationen im direkten Wohnumfeld. Auf die größeren Wohnanlagen zielt dieser Passus ab:
"Bei baulichen Anlagen mit mehr als 20 notwendigen Stellplätzen sind für 10 % der Stellplätze bautechnische Maßnahmen, die eine Stromzuführung für die Ladung von Elektrofahrzeugen ermöglichen, vorzubereiten." Stellplatzsatzung Darmstadt §4 (6)
In der Zeit des Klimawandels müssen wir uns Gedanken über unser Verhalten machen. Die neue Stellplatzsatzung der Stadt Darmstadt gibt uns dafür in mehrfacher Hinsicht einen lang ersehnten Rahmen. Und hier ein Link zur Satzung:
Schöne Grüße, Karolina Kulik, Architektin
Auch interessant in diesem Zusammenhang ist die folgende Vergleichsaufstellung: http://www.verkehrswende-darmstadt.de/vergleich-stellplatzsatzungen/