Neulich Nacht habe ich kaum geschlafen. Denn an diesem Tag wurden zwei Häuser, bei denen ich die Bauleitung durchführe, am offenen Herzen operiert - gleichzeitig.
Dieser Post ist recht persönlich. Mein Job ist sehr persönlich. Meine Bauherren vertrauen mir Ihr Hab und Gut an, und diejenigen von Ihnen, die mich schon persönlich kennen wissen, dass ich meine Aufgabe, Ihre Interessen zu vertreten, sehr ernst nehme. Zu ernst? Ich hoffe nicht.
Die letzten Monate waren hart, die Situation am Bau ist schwierig. Wir erleben viele Verzögerungen auf Baustellen durch Materialknappheit und gestiegene Preise, und die Handwerksbetriebe sind ausgebucht. Manche Finanzierung hält den Preisentwicklungen nicht stand, und so manche Planung muss geändert werden, um mit den verfügbaren Materialien zu arbeiten statt mit den ursprünglich geplanten. Das zieht viele, sehr viele zusätzliche, zeitraubende Gespräche nach sich, zwischen den Bauherren und mir, zwischen Handwerkern und mir usw. Es ist - für alle am Bau Beteiligten - eine anstrengende Zeit.
Und gestern wurde die Spannung nochmals erhöht, denn es ging auf zwei meiner Baustellen an's Eingemachte.
Auf der einen wurde ein tragender Balken, auf dem ein großer Teil des Haus liegt, getauscht - und das Haus ist bewohnt. Also bitte einmal das Haus mit einem großen Wagenheber anheben, Träger tauschen, und das Haus wieder aufsetzen? Nicht ganz....Wir haben mit dem Statiker eine Hilfsstützung vereinbart, die es möglich macht, das tragende Element auszutauschen. Dafür waren mehrere Vororttermine zur Abstimmung nötig, und um die Statik des Hauses zu verstehen, eine Probeöffnung zu machen und dann abzustimmen, wie man hier sanieren kann.
Auf diesem Foto sieht man, wie das Haus seinerzeit errichtet wurde. Es kam dann zu einem Feuchteschaden, wodurch der untere Träger so stark beschädigt wurde, dass er getauscht werden musste. Die Roteintragungen hat unser Statiker, Herr Klein, vorgenommen, um dem Handwerksbetrieb zu zeigen, mit welcher Hilfskonstruktion das tragende Bauteil ausgebaut werden kann.
Diese Gegenüberstellung zeigt den Schaden, der nun behoben wurde.
Auf dieser Baustelle ist alles wieder in Ordnung, das faule Holz wurde entfernt, gesundes Holz trägt das Haus. Nun wird gedämmt, und die Verputzer werden in den nächsten Tagen die Fassade wieder schließen.
Währenddessen wurde 10 km entfernt eine neue Geschossdecke auf einer anderen meiner Baustellen betoniert. Sie können sich vorstellen: wenn der Beton erst einmal in einem Haus ist, wäre es schwierig, etwas zu ändern. Als ich während des Studiums bei einer regional bekannten, großen Rohbaufirma mein 13-wöchiges Baustellenpraktikum absolvierte, sprachen die Handwerker vom "Beton-Fieber". Und ich fragte mich: was soll das sein, aber nur bis ich das erste Mal dabei war, als die Bodenplatte für ein Gebäude betoniert wurde. Die Vorbereitungsarbeiten sind enorm aufwendig. Die Schalung wird von Hand gebaut, die Bewehrung Stück für Stück eingebracht und miteinander verbunden. Dann macht der Statiker eine "Bewehrungsabnahme": er schaut nach, ob genug Eisen in der richtigen Ausführung und an richtiger Stelle vorgesehen wurde. Erst dann wird der Beton bestellt. Und wenn der LKW da ist, die Pumpe anläuft und der Beton dann endlich fließt, sind alle aufgeregt. Denn alle wissen, wenn jetzt etwas schief geht, dann ist das kein kleines Problem, bei Beton gibt es Probleme nur in der Größe XL. Das ist das Beton-Fieber. Und die Entspannung kehrt erst ein, wenn der Beton gerüttelt und glatt ist.
Das war mein aufregender Tag, der mich bis in die Nacht und in den nächsten Tag verfolgte. Auf jeder Baustelle, in jedem Projekt, bei jedem Kunden, den ich begleite, gilt es, solche Meilensteine zu nehmen. Bauen ist kein Sprint - sondern ein Marathon.
Schöne Grüße, Karolina Kulik, Architektin
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